Heilt die Zeit alle Wunden?

Heute vor 36 Jahren ist mein Papa gestorben. Und ich, tja, bei mir ist damals auch ganz viel passiert. Viel kaputt gegangen. Nicht nur an jenem Tag, auch in den darauffolgenden Wochen.

Momentan bin ich durch meine private Situation wieder oft mit meinem Trauma/meinen Traumen konfrontiert. Und ja, ich denke es ist viel verheilt, respektive verarbeitet. Ich habe viel dafür getan. Ich behaupte, dass die Wundern viel mehr durch meine Arbeit und nicht durch die Zeit geheilt sind.

Und ist ein Unglück noch so gross, es birgt auch Glück in seinem Schoss.

Ein Spruch von meinem ehemaligen, sehr alten und weisen Nachbar – danke Herr Hauri

Ich hatte einige Operationen nach dem Unfall. Diese haben Narben hinterlassen, viele Narben. Teilweise sieht man kaum noch was davon und einige sind bis heute noch gut sichtbar. Ich denke, genau so verhält es sich auch mit den Wunden meiner Seele und meiner Psyche. Nur mit einem grossen Unterschied: diese Narben sind nicht mit blossem Auge ersichtlich.

Diese Narben kenne nur ich. Niemand kann sie sehen oder verstehen. Sie beeinflussen mich, mein Verhalten, aber dass sie die Ursache dafür sind, das weiss ausser mir niemand.

Wäre es einfacher, wenn man sie sehen würde? Würden andere mich besser verstehen? Oder würde es sie eher abschrecken? Vermutlich wäre es ähnlich wie mit den körperlichen sichtbaren Narben. Es gibt Leute, die starren meine Narben und meine Behinderung an und sind überfordert, wissen nicht wie sie reagieren sollen und andere achten sich kaum darauf.

Egal ob sichtbar oder nicht, die Narben sind da, sie haben meine Persönlichkeit geformt und sie begleiten mich durch mein Leben. Ich bin dankbar für die Narben, denn sie erinnern mich immer wieder daran, was ich erleben und erfahren durfte; denn diese Erfahrungen haben mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Und der bin ich gerne.