Wasser oder Wein?

Wasser predigen, aber Wein trinken.

Privatklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in der Schweiz

Ich werde mir meiner Werte immer mehr bewusst – liegt wohl am Alter. Ein sehr wichtiger Wert für mich ist die Wertschätzung von Menschen und deren Leben, respektive deren Zeit. Wenn du mit mir einen Kaffe trinken gehst, schenkst du mir eine Stunde deiner Lebenszeit. Wenn diese Stunde vorbei ist, kommt sie nie wieder. Du und ich sind dann dem Tod eine Stunde näher. Deswegen bin ich dir dankbar, dass du diese Stunde mit mir verbringst. Ich sehe den Wert dieser Geste.

Wenn sich nun ein Unternehmen „Mit dem Menschen als Individuum im Mittelpunkt“ auf die Fahne schreibt, klingt das toll. Wenn dieses Unternehmen dann aber weit weg von dieser Aussage ist, entspricht dies der Realität.

Wie komme ich zu dieser Aussage?

Da war die Situation, dass ein Mann während der Feiertage Auffahrt und Pfingsten in jener zitierten Klinik war. An diesen Feiertagen bietet die Klinik keine Therapien oder Beschäftigungen an. Lediglich die Mahlzeiten werden wie immer serviert. Trotzdem ist es nicht möglich, z.B. das Wochenende von Pfingsten auf den Montag zu verlängern. Scheiss-Krankenkassen-Regelung, kann die Klinik nicht viel machen. Meinte eine Pflegerin zu diesem Mann, er könne ja einen Tagesausflug machen. Tja, leider ist der Heimweg jenes Mannes mit der ÖV rund 3 Stunden – da lohnt sich ein Ausflug nach Hause kaum. Meinte jene Pflegerin: „ja, da kann ja ihre Frau mit dem Auto hier hin fahren“. Ja klar, das dauert auch nur 2 Stunden ein Weg und das Benzin ist kostenlos. Und was macht man denn dort zusammen? Es gib keinen Aufenthaltsraum und in die Klinikgebäude rein dürfen Angehörige nicht. Dieses arrogante und von oben herab Verhalten hatte die Frau schon bei der Anreise ihres Mannes erlebt. Sie hatte ihn mit dem Auto hin gefahren. Da sagte die Dame am Empfang zu dem Mann: „ach, sie brauchen keinen Parkplatz, das Auto fährt wieder nach Hause“. Nein, die Ehefrau – ein Mensch, der direkt vor ihr stand – fährt das Auto wieder nach Hause, nicht das Auto selber. Als Angehörige ist man in dieser Klinik in-existent. Aber eine Ehefrau (frisch verheiratet und entsprechend eng zu dem Mann) kann ja auch keine Unterstützung sein bei einer Therapie – *Sarkasmus*

Eines darf man sagen, die Therapie war erfolgreich. Der Mann erreichte seine Ziele. Dann war es Zeit für den Austritt. Da der Mann unbedingt endlich nach Hause wollte, fragte er, ob er am Freitag statt am Dienstag austreten könnte. Das Wochenende war sowieso jedesmal Stress, da er nur 24 h weg durfte – wieder diese Krankenkassen-Regelung, die mit einem Heimweg von 3 h genau 18 Stunden Zeit zu Hause zulässt. Und Freitag und Montag hatte er sowieso keine Therapie mehr. Nein, Freitag austreten geht nicht. Warum? Wegen dem Geld. Die Klinik will diese vier Tage von der Krankenkasse bezahlt. Der Mann muss die Zeit „absitzen“. Und seine Frau zu Hause auch…

Und da kommt wieder meine Wertung rein, die Lebenszeit ist wertvoll. Die Klinik stiehlt diesem Mann UND seiner Frau vier Tage ihrer gemeinsamen Lebenszeit. Und diese Zeit ist aus der Sicht der Klinik weniger wertvoll als das Geld, das sie von der Krankenkasse erhalten.

Wie bitte soll man eine psychiatrische Klinik ernst nehmen, bei der das Geld so sehr über den Menschen gestellt wird?

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